Zweite Szene
Eine Stube in einer Hütte
Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und
Schlucker kommen
Squenz.
Ist unsre ganze Kompanie beisammen?
Zettel.
Es wäre am besten, Ihr riefet sie auf einmal Mann für Mann auf,
wie es die Liste gibt.
Squenz.
Hier ist der Zettel von jedermanns Namen, der in ganz Athen für
tüchtig gehalten wird, in unserm Zwischenspiel vor dem Herzog
und der Herzogin zu agieren, an seinem Hochzeitstag zu Nacht.
Zettel.
Erst, guter Peter Squenz, sag uns, wovon das Stück handelt; dann
lies die Namen der Akteure ab und komm so zur Sache.
Squenz.
Wetter, unser Stück ist - die höchst klägliche Komödie und
der höchst grausame Tod des Pyramus und der Thisbe.
Zettel.
Ein sehr gutes Stück Arbeit, ich sag's euch! und lustig! - Nun,
guter Peter Squenz, ruf die Akteure nach dem Zettel auf. -
Meister, stellt euch auseinander!
Squenz.
Antwortet, wie ich euch rufe! - Klaus Zettel, der Weber.
Zettel.
Hier! Sagt, was ich für einen Part habe, und dann weiter.
Squenz.
Ihr, Klaus Zettel, seid als Pyramus angeschrieben.
Zettel.
Was ist Pyramus ? Ein Liebhaber oder ein Tyrann?
Squenz.
Ein Liebhaber, der sich auf die honetteste Manier vor Liebe
umbringt.
Zettel.
Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung.
Wenn ich's mache, laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehn! Ich
will Sturm erregen, ich will einigermaßen lamentieren. Nun zu
den übrigen; - eigentlich habe ich noch das beste Genie zu einem
Tyrannen; ich könnte einen Herkles kostbarlich spielen, oder
eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß.
Der Felsen Schoß
Und toller Stoß
Zerbricht das Schloß
Der Kerkertür, Und
Phöbus' Karrn
Kommt angefahrn
Und macht erstarrn
Des stolzen Schicksals Zier.
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Das ging prächtig. - Nun nennt die übrigen
Akteure. - Dies ist Herklessens Natur, eines Tyrannen Natur; ein
Liebhaber ist schon mehr lamentabel.
Squenz.
Franz Flaut, der Bälgenflicker!
Flaut.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Flaut, Ihr müßt Thisbe über Euch nehmen.
Flaut.
Was ist Thisbe? ein irrender Ritter?
Squenz.
Es ist das Fräulein, das Pyramus lieben muß.
Flaut.
Ne, meiner Seel, laßt mich keine Weiberrolle machen; ich kriege
schon einen Bart.
Squenz.
Das ist alles eins! Ihr sollt's in einer Maske spielen und könnt
so fein sprechen, als Ihr wollt.
Zettel.
Wenn ich das Gesicht verstecken darf, so gebt mir Thisbe auch.
Ich will mit 'ner terribel feinen Stimme reden: «Thisne, Thisne!
- Ach Pyramus, mein Liebster schön! Deine Thisbe schön und Fräulein
schön!»
Squenz.
Nein, nein! Ihr müßt den Pyramus spielen und, Flaut, Ihr, die
Thisbe.
Zettel.
Gut, nur weiter!
Squenz.
Matz Schlucker, der Schneider!
Schlucker.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Matz Schlucker, Ihr müßt Thisbes Mutter spielen. Thoms Schnauz,
der Kesselflicker!
Schnauz.
Hier, Peter Squenz.
Squenz.
Ihr, des Pyramus Vater, ich selbst Thisbes Vater; Schnock, der
Schreiner, Ihr des Löwen Rolle. Und so wäre dann halt 'ne Komödie
in den Schick gebracht.
Schnock.
Habt Ihr des Löwen Rolle aufgeschrieben? Bitt Euch, wenn Ihr sie
habt, so gebt sie mir; denn ich habe einen schwachen Kopf zum
Lernen.
Squenz.
Ihr könnt sie ex tempore machen; es ist nichts wie brüllen.
Zettel.
Laßt mich den Löwen auch spielen. Ich will brüllen, daß es
einem Menschen im Leibe wohl tun soll, mich zu hören. Ich will
brüllen, daß der Herzog sagen soll: «Noch mal brüllen! Noch
mal brüllen!»
Squenz.
Wenn Ihr es gar zu fürchterlich machtet, so würdet Ihr die
Herzogin und die Damen erschrecken, daß sie schrien, und das brächte
uns alle an den Galgen.
Alle.
Ja, das brächte uns an den Galgen, wie wir da sind.
Zettel.
Zugegeben, Freunde! wenn ihr die Damen erst so erschreckt, daß
sie um ihre fünf Sinne kommen, so werden sie unvernünftig genug
sein, uns aufzuhängen. Aber ich will meine Stimme forcieren, ich
will euch so sanft brüllen wie ein saugendes Täubchen: - ich
will euch brüllen, als wär es 'ne Nachtigall.
Squenz.
Ihr könnt keine Rolle spielen als den Pyramus. Denn Pyramus ist
ein Mann mit einem süßen Gesicht, ein hübscher Mann, wie man
ihn nur an Festtagen verlangen kann, ein scharmanter, artiger
Kavalier. Derhalben müßt Ihr platterdings den Pyramus spielen.
Zettel.
Gut, ich nehm's auf mich. In was für einem Bart könnt ich ihn
wohl am besten spielen?
Squenz.
Nu, in was für einem Ihr wollt.
Zettel.
Ich will ihn machen entweder in dem strohfarbenen Bart, oder in
dem orangegelben Bart, oder in dem karmesinroten Bart, in dem
ganz gelben.
Squenz.
Hier, Meister, sind eure Rollen, und ich muß euch bitten,
ermahnen und ersuchen, sie bis morgen nacht auswendig zu wissen.
Trefft mich in dem Schloßwalde, eine Meile von der Stadt, bei
Mondschein: da wollen wir probieren. Denn wenn wir in der Stadt
zusammenkommen, werden wir ausgespürt, kriegen Zuhörer, und die
Sache kommt aus. Zugleich will ich ein Verzeichnis von Artikeln
machen, die zu unserm Spiele nötig sind. Ich bitt euch, bleibt
mir nicht aus.
Zettel.
Wir wollen kommen, und da können wir recht unverschämt und
herzhaft probieren. Gebt euch Mühe! Könnt eure Rollen perfekt!
Adieu!
Squenz.
Bei des Herzogs Eiche treffen wir uns.
Zettel.
Dabei bleibt's, es mag biegen oder brechen!
(Alle ab.)
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